Politische Bildung ist nicht gleich Staatskunde: Am Expertentreffen in Bern zum Thema „politische Bildung“ ging es vielmehr darum, Mittel und Wege zu suchen, die Jungen zu motivieren und zu befähigen, ihre politischen Rechte (und Pflichten) wahrzunehmen. Handlungsbedarf besteht: Die Wahlbeteiligung ist bei den unter 25-jährigen am tiefsten. Viele Junge gehen nicht wählen, weil sie das Gefühl haben, ohnehin nichts ausrichten zu können. Das Milizsystem stösst vielerorts an seine Grenzen, weil schlicht der Nachwuchs fehlt und die nationale Kohäsion bröckelt.
Wo soll politische Bildung stattfinden? Im Gespräch mit den Experten Petra Huth (Politologin und Ökonomin), Andreas Stadelmann (Dozent an der PH Bern), Vera Sperisen (Zentrum Demokratie Aargau) und Severin Marty (EasyVote) bestätigte sich die Schule als der geeignetste Ort, um politische Basics zu vermitteln: lernen zu debattieren, analysieren, diskutieren, argumentieren, sich einbringen – und demokratisch gefällte Mehrheiten zu akzeptieren. Mit ausserschulischen Angeboten (Jugendparlament, Jungparteiten etc.) erreicht man vor allem die bereits Engagierten.
Aber da gibt es ein Problem: Alle finden politische Bildung sehr wichtig, keiner kümmert sich darum. Bund und Kantone schieben sich Verantwortung zu. Hinzu kommt, dass politische Bildung gerade bei den Lehrpersonen eher unbeliebt ist: Zu gross das Risiko, sich dem Vorwurf auszusetzen, seine Schüler mit der eigenen politischen Meinung zu indoktrinieren. Im neuen Lehrplan 21 fristet die politische Bildung ein Mauerblümchendasein. Sie könnte zwar in vielen Fachbereichen – z.B MNG, RZG, DAH – aufgegriffen werden, explizit erscheint sie nur im historischen Kontext. Dabei fehlt der Bezug zur aktuellen Lebenswelt der Jugendlichen: Mit Cicero lassen sich Pubertierende kaum für die Demokratie begeistern.
In den Vorträgen und der anschliessenden Diskussion in Kleingruppen kamen die folgenden Ideen zur Sprache:
- Ein Kompetenzzentrum für politische Bildung: Statt vieler verzettelter Initiativen die Kompetenzen bündeln. Lebensweltbezogene und verständliche Unterlagen bereitstellen.
- Die Lehrpersonen besser ausbilden und befähigen, politische Bildung zu vermitteln.
- Bei den Kantonen ansetzen: Verfassungsartikel für politische Bildung
- Selbstwirksamkeitsprojekte fördern und sichtbar machen, bspw. frühe Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten, z.B durch Schülerparlamente. Wichtig dabei ist, dass die Kinder auch wirklich etwas bewirken können, die aufgabenfreie Woche dann auch tatsächlich stattfindet, die Pausenplatz-Idee auch ausprobiert werden kann.
- Jungparteien besuchen Schulen.
- Nationaler Tag der Demokratie am 12. September
- Fächerübergreifend lernen, wie man einen Dialog führt
Diese werden nun in einer Taskforce zu einem Policy Brief verarbeitet. Fortsetzung folgt.
Blogbeitrag von Simone Hofer, März 2017